logo

… Lernen

Hier findest du Einführungsmaterial zum literarischen Schreiben mit KI. Die Artikel geben einen theoretischen Überblick über verschiedene Themenfelder und führen an Fragestellungen und Kontexte heran.

Welche Texte schreibt KI?

Große Sprachmodelle lassen sich für verschiedene Schreibarbeiten einsetzen. Ich kann mithilfe eines Prompts Texte zusammenfassen oder übersetzen lassen, Stichworte in Fließtext umwandeln, den Aufbau eines Arguments planen oder E-Mails beantworten. In der schriftstellerischen Arbeit kann ich KI z. B. verwenden, um Konzepte für Erzählungen erarbeiten zu lassen, Wortfelder erstellen oder Szenen bzw. Verse schreiben zu lassen. KI kann als Schreib-Werkzeug betrachtet werden, das bestimmte Aufgaben ausführt, wie beispielsweise die Autorin Leanne Leeds beschreibt [1]. Es finden sich jedoch auch Arbeitsweisen, in denen KI stärker als kollaborative Schreibpartner:in betrachtet wird und dem System in einem Writers‘ Room mehr Autonomie zugeschrieben wird. Beispielsweise strebt K Allado-McDowell in seinen Texten eine Verschmelzung von Mensch und Maschine an [2]. Sprechen ließe sich hierbei von einer transhumanen Ästhetik.

Welche literarischen Texte KI produziert, lässt sich nicht pauschal beantworten. Der Textoutput hängt immer vom Prompting und vom Trainingsdatensatz ab, je nach Komplexitätsgrad des Prompts können Ergebnisse stark variieren und einen individuellen Ton aufweisen. Es besteht also immer ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Autor:in (Prompt-Engineer), Trainingsdatensatz und Textergebnis. Dennoch gibt es sprachliche und formale Spezifika, die insbesondere sichtbar werden, wenn literarische Texte auf Grundlage simpler (wenig spezifischer) Prompts generiert werden. Geschichten oder Gedichte, die mithilfe eines simplen Prompts generiert werden, werden oftmals als wenig authentisch, nicht originell oder langweilig bezeichnet. Der Philosoph und Historiker Donald A. Gillies spricht in Bezug auf KI-Lyrik von “skilful imitations of good poems rather than good poems” [3]: anstatt überzeugende Gedichte zu schreiben, ist ChatGPT – so Gillies – gut darin, überzeugende Nachahmungen von guten Gedichten zu schreiben. Diese Beobachtung lässt sich auch auf erzählende Literatur übertragen. Geschichten von großen Sprachmodellen, wie z. B. ChatGPT, weisen alle formalen Kriterien auf, die sie für uns als Geschichten lesbar machen, z. B. anthropomorphe Figuren oder Kohärenz, dennoch wirken die Geschichten oftmals leer und sind kaum immersiv oder involvierend. KI-generierte Geschichten folgen oftmals einer konventionalisierten Handlungsstruktur (z. B. einer geschlossenen 3- oder 5-Akt-Struktur) und beinhalten einen Konflikt, der auf oberflächliche Weise gelöst wird. Die Texte weisen darüber hinaus eine hohe Adjektivdichte auf, beinhalten abgegriffene Phrasen und pathetische Ausdrücke.

Gegenwärtig lässt sich in Bezug auf die literarische Genese von Texten mit KI zusammenfassen: Je simpler das Prompting, desto klischierter und generischer sind die Ergebnisse. Durch iteratives Prompting und eine stärker kollaborative bzw. Autor:innengeleitete Arbeitsweise, können jedoch auch andere Ergebnisse erzielt werden, so auch Texte, die immersiven Charakter aufweisen oder einen eigenwilligen Stil aufweisen. Für bestimmte Textformen kann es darüber hinaus produktiv sein, dass KI generische Texte schreibt. So eignet sich der Einsatz von KI insbesondere für formalisierte Textformen (Wetterberichte, Copy Writing, E-Mails, etc.). Im literarischen Bereich fallen Formen wie Groschenromane oder stark konventionalisierte Genreliteratur unter diese Definition. KI verspricht insbesondere Publikationssteigerungen im Unterhaltungssektor. Einsatz findet KI zudem in der Datenauswertung, z. B. in der Analyse von Zielgruppen, aber auch in der Analyse von Manuskripten. Denkbar wären auch in Zukunft On-Demand-Formate, in denen literarische Texte oder auch Filme, Songs usw. auf individuelle Interessen der Leser:innen zugeschnitten werden.

Hallo ChatGPT 4.0, könntest du eine Kurzgeschichte über zwei Menschen in Berlin schreiben?
Klar, gerne! Hier ist eine Kurzgeschichte über zwei Menschen in Berlin:
In den schattigen Gassen Kreuzbergs, zwischen Kaffeeduft und der sanften Resonanz von Straßenmusik, begegneten sich Lena und Jakob zum ersten Mal. Lena, eine junge Fotografin, die die urbane Landschaft Berlins einfing, und Jakob, ein aufstrebender Schriftsteller, der die poetischen Stimmen der Stadt in Worte fasste.Es war ein sonniger Nachmittag im Mai, als Lena durch das Prisma ihrer Kamera Jakob beobachtete, wie er in einem kleinen Café am Kottbusser Tor in sein Notizbuch schrieb. Fasziniert von der Intensität seiner Konzentration, beschloss sie, ihn als Teil ihrer urbanen Porträtserie zu fotografieren. Als sie sich ihm näherte, blickte Jakob auf und ihre Blicke trafen sich. In diesem Moment, eingefangen zwischen der Stille und dem Summen der Großstadt, fühlten sie eine unerklärliche Verbindung.Sie tauschten Namen und Geschichten aus. Jakob erzählte von seinem neuesten Projekt, einem Buch über das Leben in Berlin aus der Perspektive seiner Bewohner, und Lena teilte ihre Vision, die emotionale Tiefe der Stadt durch ihre Fotografie zu vermitteln. Sie beschlossen, gemeinsam ein Projekt zu starten, bei dem Wort und Bild ineinandergreifen würden.Tage wurden zu Wochen, und aus ihrer Zusammenarbeit wuchs eine tiefe Freundschaft. Sie streiften durch die Straßen Berlins, von Prenzlauer Berg bis Neukölln, erfassten die Essenz des städtischen Lebens und dokumentierten ihre Reise gemeinsam. In den Spätabendstunden, während sie in einem kleinen Lokal saßen, diskutierten sie über Kunst, Leben und ihre Hoffnungen für die Zukunft.Eines Abends, als sie am Ufer der Spree standen, die Lichter der Stadt sich im Wasser spiegelten und die Melodie eines fernen Liedes durch die Luft schwang, realisierte Lena, dass sie mehr für Jakob empfand. Bevor sie jedoch ihre Gefühle offenbaren konnte, gestand Jakob, dass er ein Angebot erhalten hatte, in London an einer renommierten Schreibwerkstatt teilzunehmen.Die Nachricht traf Lena wie ein Schlag. Die Vorstellung, Jakob könnte Berlin – könnte sie – verlassen, ließ sie zögern. Doch in den tiefsten Falten ihres Herzens wusste sie, dass sie ihn nicht festhalten konnte. An jenem Abend am Fluss, unter dem Sternenhimmel, versprachen sie einander, egal was kommen mag, die Verbindung zwischen ihnen aufrechtzuerhalten.Jakob zog nach London, und ihre Kommunikation bestand aus langen E-Mails und gelegentlichen Besuchen. Trotz der Distanz blieb ihre Bindung stark. Lena setzte ihre Fotografie fort und Jakob veröffentlichte sein erstes Buch, inspiriert von den Straßen Berlins und der Frau, die ihm gezeigt hatte, wie man sie durch eine Linse sieht.In einer Welt, die ständig in Bewegung ist, in einer Stadt, die niemals schläft, hatten Lena und Jakob einen Moment der Ewigkeit gefunden – ein Versprechen, das über Meilen und Jahre hinweg Bestand hatte.

Einzelnachweise
1 Allado-McDowell, K: Pharmako AI. o.O: Ignota Books 2021.
2 Leeds, Leanne: Sudowrite. https://leanneleeds.com/category/sudowrite/ (05.05.24).
3 Donald Gillies: ChatGPT and Aesthetics. In: Researchgate. https://www.researchgate.net/publication/376619391_ChatGPT_and_Aesthetics (11.05.24).

Autor:innen
Text: Jenifer Becker
Lektorat: Jonas Galm, Ariane Siebel
Bei Zitaten:Jenifer Becker: Kontext: Welche Texte schreibt KI? In: AI-Labkit (2024) https://ai-labkit.de/lernen/?post=welche-texte-schreibt-ki

Vorheriger Beitrag
19 / 22
Nächster Beitrag