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Hier findest du Einführungsmaterial zum literarischen Schreiben mit KI. Die Artikel geben einen theoretischen Überblick über verschiedene Themenfelder und führen an Fragestellungen und Kontexte heran.

Was ist KI-Literatur?

According to Alice ist die Autobiografie eines Chatbots [1].
1 the Road ein experimenteller Road-Novel, der im Kofferraum eines Cadillacs entstand [2].
Berlin, Miami ist neuronal recycelte Gegenwartsliteratur [3].
Bedtime Stories ein Kinderbuch [4]. 
Bei Death of an Author handelt es sich um eine Kriminalnovelle [5].
Und bei Reconstructions lässt sich nicht genau sagen, ob es ein digitales Gedicht oder eine stetig wachsende Textwucherung ist [6].

Auch wenn konzeptuelle Ansätze, Umsetzung und Genres variieren, lassen sich alle genannten Beispiele als KI-Literatur einordnen. KI-Literatur ist keine literarische Gattung, sondern bezieht sich auf die Produktionsweise (mit einem Sprachmodell generiert). Literatur, die mit KI geschrieben wurde, erscheint folglich in genauso vielen Formen wie Literatur als solche und reicht von Sprachexperimenten bis hin zu marktkonformer Kinderliteratur (https://ai-labkit.de/lernen/?post=eine-kurze-geschichte-der-ki-literatur). KI-Literatur ist zudem, so wie Literatur-ohne-KI, immer abhängig von der ausführenden Autor:in: Da es aktuell keine KI gibt, die einfach so einen Text schreiben würde, braucht es immer eine Person (Autor:in, Programmierer:in, Prompt Engineer), die eine Idee umsetzt und dafür KI auf individuelle Weise in ihren Schreibprozess integriert. Dies beginnt beim Training von Sprachmodellen und bildet sich auch in der individuellen Umsetzung literarischer Texte mit KI ab. Auch beim schriftstellerischen Einsatz von KI besteht also ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Autor:in(en) und KI-generiertem Text.

KI kann zur Konzeption, Umsetzung und Überarbeitung von Texten eingesetzt werden. Ganz grundlegend muss vor dem Schreiben entschieden werden, mit welchem Sprachmodell ich schreiben möchte - ob ich das System selbst trainiere, ein vortrainiertes System nutze oder ein Finetuning vornehme. (https://ai-labkit.de/schreiben/). Die populärste Schreibweise ist gegenwärtig das Schreiben mit großen Sprachmodellen, wie z. B. Gemini oder ChatGPT, bei denen es sich um vortrainierte Sprachmodelle handelt. (Hier Verlinkung technische Hintergründe). Die Arbeit mit vortrainierten Sprachmodellen läuft über Prompts (Eingabeaufforderungen). Um einen Prompt zu formulieren, der darauf abzielt, einen literarischen Text zu generieren, ist es notwendig, eine spezifische Vorstellung vom Textergebnis zu haben. Ich muss dafür Begriffe und Konzepte kennen, die im Prompt genannt werden müssen. Ein Beispiel:

You 
hallo chatgpt! schreibe eine erste, kurze szene für ein trauerspiel, angelehnt an kleists "penthesilea". verwende jedoch ein sprachregister, das aus den beliebtesten begriffen für millennials besteht.

ChatGPT
Szene 1: Der digitale WaldOrt: Ein virtueller Wald, der durch Augmented Reality geschaffen wird. Die Bäume und Tiere sind digitale Projektionen.
Achilles (ein Influencer-Krieger): scrollt durch sein Smartphone "Also echt, diese Kriegs-App ist voll buggy. Wo ist sie denn jetzt?"
Penthesilea (Königin der Amazone, Gamerin): tritt auf, AirPods in den Ohren "Hey, Achilles, ready für unser Match? Dieses Battle wird viral gehen!"
Achilles: "Penthesilea, du bist so on fleek. Aber weißt du, ich bin nicht nur hier für die Likes."
Penthesilea: "Same. Dieser Krieg ist so last season. Lass uns ein Team bilden. #Peace.

Ob und in welchem Maß der Einsatz von KI in der Textgenese offengelegt werden soll, wird gegenwärtig diskutiert. Einige fordern aus ethischen Gründen das Label „KI-erzeugt“, insbesondere bei der wissenschaftlichen, aber auch literarischen Nutzung von KI. Textformen, die weniger oder keine Abhängigkeit zu einer Autor:in aufweisen, wie z. B. journalistische Kurzmeldungen, Marketingtexte o.ä., werden von dieser Diskussion nicht oder kaum berührt. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen Erwartungen an literarische Textproduktion und Vorstellungen von Autor:innenschaft, die durch KI unterlaufen werden. Die Diskussion darum, ob Texte gelabelt werden sollen, lässt sich auch als Übergangsstadium deuten. Der Medienwissenschaftler und Autor Hannes Bajohr weist darauf hin, dass wir uns bereits im Zeitalter postartifizieller Texte befinden [7], der Begriff “KI-Literatur” lässt sich unter dieser Perspektive als Übergangsbegriff begreifen: Wenn wir davon ausgehen, dass sich KI als Schreibwerkzeug weiter normiert und sich unsere Erwartungen an die Entstehung von literarischen Texten verändern, würde das Label „KI“ genauso wenig über die erzeugte Literatur aussagen, wie die Markierung mit „Schreibmaschine“ oder „Stift“ geschrieben. KI würde sich dann lediglich auf das genutzte Schreibwerkzeug beziehen. Nicht eindeutig geklärt sind bis zu diesem Zeitpunkt Nutzungs- und Urheberrechtsfragen beim literarischen Einsatz von KI.

Einzelnachweise

1 Sheila Heti: According to Alice. In: The New Yorker 2023. https://www.newyorker.com/magazine/2023/11/20/according-to-alice-fiction-sheila-heti (11.05.24).
2 Ross Goodwin: 1 the Road. Paris: JBE Books 2018.
3 Hannes Bajohr: Berlin, Miami. Berlin: Rohstoff 2023. 
4 Kamil Banc: Bedtime Stories. Short and Sweet, For a Good Night's Sleep. o.O.: Kindle Direct Publishing 2022. 
5 Aidan Marchine: Death of an Author. New York: Pushkin Industries 2023. 
6 Allison Parrish: Reconstructions, 2020. https://reconstructions.decontextualize.com/ (11.05.24).
7 vgl. Hannes Bajohr: Artifizielle und postartifizielle Texte. In: Sprache im technischen Zeitalter 61 (2023). S. 37-61.

Autor:innen
Text: Jenifer Becker
Lektorat: Jonas Galm, Ariane Siebel
Zitation:Jenifer Becker: Kontext: Was ist KI-Literatur? In: AI-Labkit (2024) https://ai-labkit.de/lernen/?post=was-ist-ki-literatur

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