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Lernen

Hier findest du Einführungsmaterial zum literarischen Schreiben mit KI. Die Artikel geben einen theoretischen Überblick über verschiedene Themenfelder und führen an Fragestellungen und Kontexte heran.

Wie lässt sich mit KI Prosa schreiben?

"[T]he novel is a formidable mass, and it is so amorphous - no mountain in it to climb, no Parnassus or Helicon, not even a Pisgah. It is most distinctly one of the moister areas of literature - irrigated by a hundred rills and occasionally degenerating into a swamp" [1]. Folgen wir der Roman Definition des Essayisten, Autors und Literaturwissenschaftlers E.M. Forster (1927), handelt es sich beim Roman um ein amorphes Gebilde, das sich schwer definieren lässt. Dies gilt auch für das Schreiben erzählender Literatur: Eine Formel, die das Schreiben von Prosa (mit oder ohne KI) auf eine Herangehensweise herunterbrechen würde, gibt es nicht.

Auch Autor:innen, die mit KI Prosa erzeugen, setzen große Sprachmodelle auf unterschiedliche Weise ein. So wie bei anderen Formen muss zunächst unterschieden werden, mit welchem Sprachmodell gearbeitet werden soll und ob und in welchem Umfang ein eigenes Training bzw. Finetuning stattfinden, oder ein vortrainiertes Sprachmodell genutzt werden soll (https://ai-labkit.de/schreiben/). Ist die Entscheidung getroffen, lässt sich KI an verschiedenen Stellen im Schreibprozess einsetzen, so z. B: bei der Konzeptualisierung, der Textgenese oder der Überarbeitung. Bei der Dreiteilung handelt es sich um eine vereinfachte Darstellung des Schreibprozesses, um Zugriffe auf mögliche Schreibverfahren mit KI (zur Genese erzählender Literatur) darstellbar zu machen:

Top-Down: Vom Konzept zum Text

Bei diesem Ansatz wird der Text ausgehend von einem Erzählkonzept generiert, d.h. zunächst wird gemeinsam mit einem Sprachmodell ein Konzept ausgearbeitet. Ein Konzept kann folgende Elemente beinhalten: Kurze Inhaltsangabe (Worum geht es in der Erzählung?), Erzählprämisse, Erzählsetting, Handlungsaufbau, Figurenkonstellationen, Figurenbiografien, etc. Dieses Verfahren wurde beispielsweise bei der Erstellung der Kurzgeschichte Alpha Centauri in Ewigkeit angewandt, die zusammen im Kollektiv (Juan S. Guse, Jenifer Becker, Albert Heinrichs) mit ChatGPT entstanden ist [2]. Hierbei wurde ein Ausgangstext ausgewählt, der als Grundlage zur Erstellung einer Erzählprämisse von ChatGPT ausgewertet und in eine neue Erzählung überführt wurde. Handlungsgerüst und Figurenaufstellung gingen der Textgenese voraus.

Bottom-Up: Vom Text zur Geschichte

Eine andere Möglichkeit besteht darin, Textpassagen von großen Sprachmodellen weiterschreiben zu lassen, um so erzählende Literatur zu generieren. Dieses Verfahren hat K Allado-McDowell in seinen Romanen Amor Cringe (2022) und Air Age Blueprint (2023) angewandt. Die Erzählung entsteht über wechselseitige Interaktion: Selbst geschriebene Textpassagen wirken auf die generierten Texte ein und umgekehrt. Dieses Verfahren schließt nicht aus, die Erzählung vorher zu konzeptualisieren.

Simultaneität: Fiction Writing-Programme

In KI-gestützten Fiction Writing-Programmen (Schreibprogramme, die auf das Schreiben von Belletristik (Fiction) zugeschnitten wurden) laufen beide Ansätze meist parallel ab. Je nach Programm ist es möglich, vom Schreibmodus in einen Konzeptionsmodus zu wechseln. Im Schreibmodus kann Text selbst geschrieben und / oder generiert werden, Textpassagen können neu geschrieben oder umgeschrieben werden. Im Konzeptionsmodus ist es möglich, Handlungsstrukturen zu entwickeln und den Szenenaufbau zu planen, ebenso können Figurenkonstellationen visualisiert und Moodboards erstellt werden. Dieses Verfahren hat beispielsweise die Autor:in Leanne Leeds angewandt: um ihre Mysterie-Reihe The Owl Star With Series beschleunigt zu schreiben, hat Leeds mit Sudowrite gearbeitet, einem KI-gestützten Fiction-Writing-Programm. Das Programm basiert auf verschiedenen feinabgestimmten (= Finetuning) Versionen von GPT (u.a. 3.5 und 4.0). Der Journalist Josh Dzieza schreibt in The Verve: “ To create Sudowrite, Gupta and Yu collected plot twists from short stories and synopses of novels, presenting them to GPT-3 as examples. For descriptions, they wrote sentences about smells, sounds, and other senses so that GPT-3 would know what’s being asked of it when a writer clicks ‘describe’.” [3]

Große Sprachmodelle, wie ChatGPT, sind anfällig dafür, konventionalisierte Plots und Handlungsstrukturen zu generieren, ebenso dafür, Klischees und Stereotype zu erzeugen. Aktuell sind erzählerische Ergebnisse entsprechend wenig originell und können schnell redundant werden. Dies gilt auch für KI-gestützte Fiction-Writing-Programme, die konventionalisierte Plots und Handlungsstrukturen als bevorzugte Handlungsschemata anbieten. (https://ai-labkit.de/schreiben/)

Einzelnachweise
1 E. M. Forster: Aspects of the Novel. New York: Rosetta Books 2002. S. 7.
2 Jenifer Becker, Juan S. Guse, ChatGPT: Alpha Centauri in Ewigkeit. Neue Rundschau (2023). https://www.fischerverlage.de/magazin/neue-rundschau/alpha-centauri-ewigkeit (20.05.24).
3 Josh Dzieza: The Great Fiction of AI. https://www.theverge.com/c/23194235/ai-fiction-writing-amazon-kindle-sudowrite-jasper (20.05.24).

Autor:innen
Text: Jenifer Becker
Lektorat: Jonas Galm, Ariane Siebel
Zitation: Jenifer Becker: Wie lässt sich mit KI Prosa schreiben? In: AI-Labkit (2024) https://ai-labkit.de/lernen/?post=wie-l%C3%A4sst-sich-mit-ki-prosa-schreiben

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